Normalerweise verblogge ich alles, was mich bewegt. Gerade wenn es um ein bestimmtes Thema geht, schreibe ich es hier im Detail nieder, um immer wieder darauf zurückgreifen zu können.
Allerdings gibt es seit zwei Jahren ein Thema, welches ich erst mal nicht öffentlich behandeln wollte.
Es wird kein fröhlicher Beitrag. Er kann auch Dinge in euch auslösen. Überlegt es euch, ob ihr euch das jetzt „geben“ wollt.
So langsam kann ich darüber auch offen sprechen und möchte es hier für mich festhalten.
Vor allem möchte die vielen Punkte, die dazu gehören, hier thematisieren. Vielleicht hilft es auch anderen in manchen Punkten.
Zwei Jahre ist es her, es war Sommer 2021 und der Urlaub in Bayern endete langsam. Es war eine wolkenfreie Nacht, wir lagen auf der Terrasse meiner Schwägerin und schauten in den Himmel.
Es war Sternschnuppennacht. Ich kann mich nicht daran erinnern, bis dahin jemals eine Sternschnuppe bewusst gesehen zu haben. Aber in der Nacht waren es unendlich viele.
Ich lag dort und wünschte mir von jeder Sternschnuppe nichts Sehnlicheres, als dass ich wieder glücklich in meinem Leben werde.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen konkreten Wunsch, sondern wollte einfach nur wieder Freude am Leben haben. Eigentlich hatte ich alles erreicht. Ich hatte eine gesunde und zufriedenen Familie, einen guten Job und es fehlte uns an nichts. Aber ich war nicht glücklich. Konnte es nicht genießen. Es war alles grau um mich. Und ich konnte nicht mal mir selbst sagen, was genau mich unglücklich stimmte.
Wenn ich daran zurückdenke, war es das erste Mal, dass ich mir bewusste wurde, dass mir mein Leben keine Freude mehr machte.
Heute denke ich, das waren die ersten Anzeichen einer kommenden Depression. Vielleicht stecke ich schon drin. Keine Ahnung. Für mich war „gefühlt“ in dieser Zeit innerlich alles aussichtslos und schlecht. Ich hatte meine Lebensfreude verloren.
Einen Monat später habe ich mir nichts Sehnlicheres gewünscht, als dass ich einen Unfall erleide oder krank werde. Damit das alles ein Ende nimmt. Das mich etwas aus diesem unerträglichen Hamsterrad herausholt.
Nach außen hin habe ich immer funktioniert. Den Schein gewartet. Mir meine Negativität nicht anmerken lassen. Darin war ich gut, meine Sorgen und Gefühle zu verdrängen. Meine Bedürfnisse zu unterdrücken. Zu funktionieren. Fröhlich zu lächeln.
Das Einzige, woran man es hätte merken können, war meine ständige hektische Art. Das immer unter Strom stehen, schnell reden. Aber ich empfand das als eine coole Eigenschaft von mir. Heute weiß ich, dass dies nur Symptome waren.
Da war was, dessen ich mir aber nicht bewusst war. Aber es musste etwas kompensiert werden.
Wo Menschen dem Alkohol oder Drogen verfallen, da habe ich mich in Arbeit gestürzt und mit Zucker betäubt und belohnt. Ich habe ein Gewicht erreicht, was ich noch nie erreicht hatte. Ich wurde krank dadurch.
Neben meinem Hauptjob, bei dem ich für alles die Verantwortung auf mich genommen habe, bin ich noch in den Sicherheitsdienst, Kleinselbstständigkeit und viele kleine weitere Nebenjobs. Aber durch immer neuere Aufgaben/Verantwortung, kamen auch immer neue Sorgen und Ängste.
Und immer wenn ich mich von etwas löste, um dem Stress entgegenzuwirken, lagerte ich die Ressourcen unbewusst auf was anderes aus.
Ich war am Ende und wollte nicht mehr. Dachte, das wäre einfach alles eben so. Zu dem Zeitpunkt war ich gefühlt viel und oft allein. Meine Frau wollte ich nicht damit belasten. Heute weiß ich, wie dumm das war von mir war.
Heute weiß ich auch, wenn jemals wieder der Punkt erreicht ist, wo es eine Option ist, das alles zu beenden, dann ist es höchste Eisenbahn sich sofort Hilfe zu suchen. Bei der Seelsorge, bei der 116117 oder gleich in die Notaufnahme.
Ich hatte nie den Mut mir was anzutun, hatte aber gehofft, dass ich einen Schlaganfall bekomme oder mir ein Auto auf dem Moped die Vorfahrt nimmt. Nicht mal ein Ende setzen. Aber mir wurden gefahren egal. Fuhr ohne Schutzklamotten viel zu schnell und unvorsichtig. Einfach nur unverschuldet aus diesem für mich unerträglichen Hamsterrad geworfen werden und eine lange Auszeit bekommen.
Und so funktionierte ich einfach weiter, akzeptierte resignierend den Umstand und wartete auf das, was kommt. Was mich vielleicht erlöst.
Im Oktober 2021 habe ich bei meinem Hausarzt einen Termin gemacht. Ich wollte, dass er mir hilft abzunehmen. Egal, wie. Ich hatte Bluthochdruck jenseits gut und böse, die Smartwatch zeige Vorhofflimmern an und ich hatte massive Wassereinlagerung in den Beinen. Ich war dazu auch einfach nur noch Fett geworden. Mein täglicher Ablauf war unter diesen Umständen sehr schwer geworden.
Ich erzählte ihm, dass ich abnehmen möchte, weil ich gesundheitlich nicht mehr kann. Ich redete und redete und redete.
Da sagte er (zusammengefasst) zu mir:
Wissen Sie, sie reden rasant, ohne Punkt und Komma. Ich kenne Sie sehr lange. Sie sind ein Workaholic, immer auf der Überholspur des Lebens. Immer Vollgas. Aber eines Tages biegen sie auf der Autobahn des Lebens falsch ab. Ohne es zu merken. Dann wird es wird langsam immer dunkler. Bis es schwarz ist. Wenn sie merken, dass sie falsch abgebogen sind, dann kann es schon zu spät sein.
Sie wissen, dass sie übergewichtig sind und wie sie es beheben können. Aber da ist etwas, was sie in eine Esssucht getrieben hat. Und der Grund muss erarbeitet werden. Dann nehmen sie auch wieder ab.
Ich kann nicht beurteilen, ob Sie schon einen Burn-out haben oder in einer Depression sind, dafür reicht meine Kompetenz nicht. Aber ich rate Ihnen, dass sie sich dringend in Therapie begeben. Am besten sofort in eine Ambulante.
Rückblickend hätte ich es machen sollen. Sofort aus dem Hamsterrad raus. Aber tat es nicht.
Weil auch da wollte ich es bislang nicht wahrhaben. Ja, ich war etwas überarbeitet, etwas überlastet. Aber ich und krank? Kopfkrank? Verrückt? So etwas Neumodisches wie Depression oder Burn-out. Ich bin doch nicht zu faul zum arbeiten……
Das hatte gesessen.
Heute bin ich meinem Hausarzt sehr dankbar für diese Diagnose. Er lag richtig.
Die Wochen darauf ging mir das Gespräch immer wieder durch den Kopf. Ja, ich war vielleicht etwas überlastet. Also machte ich meinen Digitalen Detox. Setzte mich mit Achtsamkeit auseinander.
Das war der Moment wo ich selbst merkte, da stimmt was nicht. Wo ich plötzlich meine Gedanken nicht mehr mit dem Handykonsum verdrängte / ablenkte und mich mit Ihnen auseinandersetzen musste, da holte es mich ein.
Stille war etwas, was ich noch nie mochte. Jetzt wurde sie unerträglich für mich. Vielleicht hatte mein Arzt recht? Letztlich scheint da ja was zu sein?
Ich weiß noch, wie ich alleine auf der Couch saß und mir diese Folge angeschaut habe:
Am Ende hat mein ganzer Körper gezittert. Mich hat die Sendung „abgeholt“ und ich wusste, es muss etwas passieren.
Also rief ich die 116117 an und vereinbarte einen Termin für ein Erstgespräch beim Psychologen. Vier Monate später erhielt ich einen Platz in der Therapie und da gehe ich nun seit 1.5 Jahren hin.
Heute, zwei Jahre später weiß ich, warum das alles.
Seit rund 30 Jahren lebe ich mit einer Angststörung, die Ihren Ursprung in den Kindertagen hat, der ich mir aber nie bewusst war.
Das hat mit Ereignissen in der Kinderzeit angefangen, sich mit den Überfällen und dem Mobbing auf mich im Jugendalter gefestigt, mit der stetig beruflichen Verantwortung ein volles Maß erreicht und mit dem Vater werden das Fass zum Überlaufen gebracht.
Die Angststörung hat irgendwann so viel Stress verursacht, dass ich depressiv wurde. Heute weiß ich, Stress macht krank. Tatsächlich krank. Auch körperlich krank.
Was erst mal nach einem einfachen Wort klingt, hat mein Leben irgendwann so im Griff gehabt, dass es für mich nicht mehr lebenswert war.
Ich habe mich nicht mehr allein auf die Straße getraut. Selbst zum Supermarkt die Ecke rum bin ich mit dem Moped hingefahren. Ich hatte ständig lebensbedrohliche Angst um meine Familie und mich.
Mein Kopf war nie still, immer im Überwachungsmodus. Ständig wird alles vorbereitet, abgewiegelt. Bewerten trifft es auch.
Seit 1.5 Jahren bin ich nun in Behandlung. Parallel praktiziere ich seit zwei Jahren Achtsamkeit, lese viele Bücher und höre Podcasts zu dem Thema.
Mittlerweile habe ich meine Angststörung gut im Griff und auch die Lebensfreude ist zurückgekommen. Aber ich muss stetig daran arbeiten, das merke ich immer wieder, wenn sie mich einholt.
Die Angststörung selbst war ein schleichender Prozess, den ich nicht bemerkt habe. Ich habe immer alles für normal gehalten. Ich habe funktioniert, wie ich nur konnte. Blicke ich heute auf einzelne Ereignisse zurück, dann sehe ich regelmäßig, dass meine Angststörung den Moment im Griff hatte und steuerte.
Durch oder mit der Angststörung habe/hatte ich auch eine Sozialphobie entwickelt. Wo es ging, drückte ich mich um Festlichkeiten. Und durch meine soziale Phobie habe ich auch fast alle meine Freunde vergrault.
Am Ende gab es nur noch einen Freund, der mich in dieser Zeit fast täglich ausgehalten hat – Grüße gehen nach Norderstedt 😉 .
Ich habe auch über Jahre meinen Geburtstag nicht mehr gefeiert. Selbst meinen 40. nicht.
Wenn ich so über die Jahre im Blog zurückschaue, dann sehe ich – wie viel ich früher mit meinem großen Freundeskreis gefeiert habe. Aber von Jahr zu Jahr wurde es weniger. Sukzessiv habe ich sie mir durch mein Verhalten vergrault bzw. habe Abstand genommen.
Auch habe ich mein Leben und meine Bedürfnisse nach hinten gestellt. Vergessen wer und was ich bin.
Ich kann mittlerweile wieder allein Wandern gehen, zu Fuß Einkaufen und auch Nein sagen. Ich habe lernen müssen, wieder Gefühle zuzulassen, sie auszudrücken. Meine Bedürfnisse zu erkennen und auch einzufordern. Mich durchzusetzen und auf mich zu achten.
Raus aus meinem Loch, wieder zurück in ein lebenswertes Leben.
Das war auch ein sehr interessanter Weg für mich bis jetzt. Das ganze Thema Psychologie, Empathie, Mensch sein.
Dazu werde ich dann später in einzelnen Beiträgen näher eingehen.
Falls ihr selbst Hilfe sucht, findet ihr hier Unterstützung: Telefonseelsorge: Tel.: 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222. Deutsche Depressionshilfe – Tel.: 0800 – 33 44 533
https://www.telefonseelsorge.de/https://www.telefonseelsorge.de/
Hallo Heiko, ich habe jahrelang im mittleren Management mit Personalverantwortung gearbeitet und immer über die Themen Burn out und Depressionen gelacht. In meinem Job gibt es das Wort Nein gegenüber Vorgesetzten nicht. Du darfst keine Schwäche zeigen. Nach 8 Stunden Feierabend oder eine Mittagspause ist nur Arbeiter und Sachbearbeiter, So war es zumindest in den Unternehmen in den ich gearbeitet habe. Am Tag kommen 100 Mails, ich muss Meetings vorbereiten (auch am Wochenende) und das Thema Personalführung ist eh das schlimmste. Jede Woche 50 60 Stunden. Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten. Firmenhandy ist eh die Fußfessel. Wenn jemand anruft und Mails schreibt wird erwartet, dass man 24/7 präsent ist. Ergebnis? Jetzt lache ich nicht mehr über Burn out! Termine bei Psychologen bekommt man erst nach monatelagen warten. Hast Du schon an eine Kur gedacht?
Über eine Kur habe ich schon öfter nachgedacht. Aber aktuell bin ich noch nicht soweit aus meinem Hamsterrad raus zu treten. Aber ich bin mir bewusst, dass ich so etwas brauche und auch irgendwann angehen werde.
Lieber Heiko,
ich lese schon viele Jahre „still“ mit und habe anhand der Beiträge gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung ist/war. Ich bin selbst „geschädigter“ einer Depression, wenn man es denn so nennen darf. Ich kenne die grauen Tage, die Hoffnungslosigkeit bis hin zu den Suizidgedanken sehr gut.
Wir sind gesellschaftlich noch nicht so weit, dass diese „als Schwäche definierte Krankheit“ akzeptiert wird, möchte Dir aber auf diesem Wege nur eines aussprechen, nämlich meinen tiefsten Respekt für deine Offenheit und dafür, dass du dich mit Dir als Mensch auseinandergesetzt hast.
Hallo Maik, ganz lieben Dank für deine schönen Worte 🙂 Ich wünsche dir auch ganz viel Kraft auf deinem Weg.
Ich möchte meinen Kommentar noch ergänzen. Nachdem ich mich wieder in der Lage fühlte zu arbeiten, führte mein erster Weg zum Vorgesetzten. Die erste Frage “ Wie geht es Ihnen?“ Dann „Wir möchten uns von Ihnen trennen“. Du darfst halt keine Schwäche zeigen. Scheißladen!
Das tut mir sehr leid für dich. Ich habe mit meinem Arbeitgeber darüber gesprochen, habe nur positives erlebt. Im Nachhinein würde ich bei dir sagen kannst du froh sein, dass sie dann ihr wahres Gesicht gezeigt haben. Ich hoffe du findest ein Arbeitgeber, der dich zu schätzen weiß.
Danke für die offenen Worte.
Erkenne daß man Hilfe braucht ist nicht leicht, und sie anzunehmen noch schwerer.
Alles gute dir auf deinem Weg in die Farben zurück.
Bäm. Das hat gesessen. Genau so geht es mir zur Zeit. Ich habe alles, Beziehung, Job, Wohnung, die geliebten Katzen. Dennoch fehlt die Lebensfreude. Nicht schön, das alles. Ich freu mich für dich, dass du aus dem Nebel rauskommst. Ich hab den Weg noch vor mir, muss den ersten Schritt noch gehen.
Alles Gute dir!
Liebe Grüsse von einer langjährigen Mitleserin.
Liebe Guybrush Threepwood, danke schön. Ja – der erste Schritt ist schwierig. Auch die ersten Monate waren nicht leicht. Sich mit seinen Gefühlen und Problemen auseinanderzusetzen. Aber es ist ein Weg, der sich lohnt. Ich wünsche dir ganz viel Kraft, dass du auch eines Tages wieder glücklich wirst. Und wenn du Redebedarf hast – heiko@derheiko.com 😉
Danke für die offenen Worte, mein Lieber!
Auch könnte ich jetzt sagen: Willkommen im Club!
Bei mir war es im März 2019, als ich die Reißleine gezogen habe. Danach eine erste Zeit der Achtsamkeit mir gegenüber, dann 4 Monate Tagesklinik. Resultat: Raus aus dem Hamsterrad, neuer Job und immer schön auf mich aufpassen. Auch wenn es schwer fällt und zur Zeit gerade auch nicht einfach ist…
Lieber Ralfi, Dankeschön. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft. Hast du denn noch weiterhin professionelle Unterstützung für so Momente wie jetzt?
Leider nein. Die Selbsthilfegruppe ist Corona zum Opfer gefallen und es hat sich keine neue gegründet. Hier im ländlich geprägten Raum nicht so einfach, da was neues aufzuziehen. Also muss ich mich alleine durchwuseln. Kraft, selbst etwas wie eine SHG aufzubauen habe ich keine mehr.
Wäre eine Online Hilfegruppe eine Lösung? Hilferuf.de zum Beispiel
Lieber Heiko, ich finde deine Entscheidung, dir professionelle Hilfe zu holen, sehr gut. Ich habe vor ein paar Wochen auch eine Psychotherapie begonnen, weil ich mit meiner Krankheit (Parkinson) nicht klar komme. Ich wünsche dir alles Gute! LG Elfi
Liebe Elfi, das ist ein wirklich harter Schicksalsschlag. Ich finde es auch gut, dass du dir professionelle Unterstützung holst. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Mut für diese schwere Zeit.