Nach Heiligabend haben wir lange geschlafen. Eines unserer Kinder bis fast 10 Uhr. Nach dem Frühstück wollten wir zu meiner Schwägerin, wo wir zum Essen eingeladen waren. Wir zogen Schuhe und Jacke an, als es klingelte und eine Frau vor der Tür stand.
Sie suchte die Vater-Kind-Einrichtung. Wir versuchten ihr zu erklären, dass in dem Gemeinschaftsraum unter uns nur alle zwei Wochen für zwei Stunden ein Vater-Kind-Café stattfindet. Dann bat sie uns, sie dorthin zu bringen. Ich versuchte, ihr klarzumachen, dass der Raum jetzt leer ist und niemand da ist. Was wolle sie denn dort?
Im ersten Moment dachte ich, vielleicht findet unter uns im Raum ein Kindergeburtstag statt und sie wolle dahin. Das kommt ein paar mal im Jahr vor, dass die Menschen sich dann zu uns verirren. Oder weil sie denken, ich sei (noch) für den Raum zuständig.
Sie erzählte mir, dass ihr Mann sie misshandelt und ihr Baby entführt habe und dass er in einer Vater-Kind-Einrichtung untergetaucht sei und dort vermutlich jetzt das Baby misshandelt. Sie hätte Beweise und suche nun die Vater-Kind-Einrichtung. Dann zeigte sie mir die Adresse auf ihrem Handy. Ich sah die Homepage unseres Väter Vereins. Sie zeigte auf die Adresse und meinte, da stünde, dass die Väter hier mit den Kindern leben.
Wir versuchten ihr weiter zu erklären, dass sie hier nicht wohnen würden. Sie müsse woanders suchen. Aber sie ließ nicht locker. Sie bat eindringlich um Hilfe.
Ich empfahl ihr, sich an das Männerwohnheim im Nachbarstadtteil zu wenden oder gleich an die Polizei. Sie sagte, sie sei in einer Notlage und ob ich sie dorthin begleiten könne. Oder ob ich die Polizei rufen könne. Gerne können wir auch vor der Einrichtung gemeinsam die Polizei rufen. Die Frau wollte auch nicht alleine sein und bat uns, sie zu begleiten. Fast schon aufdringlich.
Die ganze Situation wirkte sehr wirr und ich wusste nicht, ob die Frau jetzt die Wahrheit redete und wirklich in einer Notlage war. Sie wirkte wie jemand, der in einem psychischen Ausnahmezustand ist. Wenn das alles so stimmte, dann auch verständlich.
Im Krav Maga habe ich den Cooper Color Code kennengelernt. Der ist schon gelb, wenn es an meiner Tür klingelt. Aber als sich mein Bauchgefühl gemeldet hat, schlug er auf Orange um.
Äußerlich machte sie auf mich einen klaren Eindruck. In den Sicherheitskursen, die ich vor Jahren für den Sicherheitsdienst gemacht habe, habe ich auch gelernt, mir schnell ein Bild von einer Person und Situation zu machen. Ob sie eventuell äußerliche Anzeichen von Drogenkonsum hat (Pupillen, Körperhaltung, Gestik, Mimik, Blinzeln usw.). Ob die Person einen gepflegten Eindruck macht. Alles schien in Ordnung zu sein, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass etwas nicht stimmte.
Ich wollte sie weit weg von meinen Kindern und unserer Wohnung haben, aber auch nicht im Stich lassen – wenn sie sich wirklich in einer Notlage befindet.
Ich bot ihr an, sie zum Männerwohnheim zu bringen.
Ich empfinde es als interessant wie schnell da mein Kopf arbeitet.
Es überschlugen sich meine Gedanken. Nun hätte es sein können, dass die Frau uns von der Wohnung weg haben wollte. Damit keiner da ist und sie leer geräumt werden kann.
Also Kinder mitnehmen? Vielleicht wollte sie uns auch im Auto oder unterwegs überfallen? Ich entschied, die Kinder zu Hause zu lassen. Dafür habe ich neben der aktivierten Alarmanlage und einer verriegelten Sicherheitstüre auch eine vollständige Videoüberwachung. Das war sicherer als bei uns im Auto.
Ich packte mir was zur Verteidigung ein, setzten die Kinder vor den Fernseher, schlossen die Wohnung ab und fuhren die Frau ins Männerwohnheim.
Ich saß am Steuer, die fremde Frau neben mir und meine Frau hinter ihr. So hatten wir sie beide im Blick. Ohne ihr etwas Böses zu wollen, aber auf so einem engen Raum kann der Gegner schnell mit einem Messer Böses anrichten.
Jede ihrer Bewegungen hatte ich im Blick. Ich bin lieber paranoid, statt naiv. Komische Zeiten erfordern komische Gedanken.
Dort angekommen, bat sie uns, mit ihr ins Männerwohnheim zu gehen. Während meine Frau mit ihr zum Empfang ging, rief ich die Polizei. Ich erklärte ihnen, dass wir eine Frau hierher gebracht hätten, die nun alle Zimmer durchsuchen wolle. Dass sie sehr verstört wirke, aber behaupte, ihr Kind sei entführt worden. Dass sie sagt, sie sei misshandelt worden.
Dann ist die Polizei gekommen und hat die Frau befragt. Sie zeigte Briefe vom Jugendamt und erzählte den Polizisten die ganze Geschichte. Sie wollte auch, dass wir bei ihr bleiben, aber wir wollten zurück zu unseren Kindern und bei der Polizei war sie in guter Obhut.
Ich weiß nicht, was aus ihr geworden ist. Ich hoffe nur, dass ihr geholfen wurde. Wir haben unser Bestes getan. Danach sind wir dann zur Familie meiner Frau gefahren.
Angekommen, merkte ich, wie das Adrenalin so langsam meinen Körper verlassen hat und wie sehr ich unter Spannung stand. Mir geht das auch bisher nicht aus dem Kopf.
Als wir auf die Polizei warteten, erzählte sie uns etwas von Zwangsimpfung an ihrem Kind, dem Jugendamt, welches ihr das Kind entrissen hat, und dem Vater, der ihr das Besuchsrecht verweigerte. Sie tat mir sehr leid und ich hoffe, dass man ihr am Ende helfen konnte.
Ich bin für meinen Teil im Nachhinein mit mir zufrieden und würde es wieder so machen. Ich helfe zwar gerne, aber meinen Eigenschutz vergesse ich nicht dabei.
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