Privates

Zwischenmenschlichkeit

Unwetter war angekündigt und ich wollte zu meinem MBSR Kurs in der Innenstadt.
Ich nahm mir mein E-Book mit und fuhr eine Stunde früher dahin, um dann vor Ort irgendwo einen Kaffee im Trockenen zu trinken.

Es gab sogar dort lecker Käsekuchen.

Der Stadtteil in der Innenstadt ist ein Studierenden- und Hipsterviertel. Friedlich und nett, aber die Menschen dort sind nicht so mein Ding.

Ein junges Pärchen kommt rein und setzt sich an den Tisch vor mich. Über den Buchrand fange ich die beiden an zu beobachten. Finde die Kulisse, welche sich mir gerade bietet, interessanter als mein Buch. Vielleicht auch, weil ich in letzter Zeit nicht viel rausgekommen bin und es mal genieße unter Menschen zu sein.

Sie redet viel, er nickt zu und scrollt am Handy. Und scrollt und scrollt. Manchmal höre ich so etwas wie ein „Ja … Hmmmm .. Ja …..“

Gelegentlich holt sie ihr Handy raus, scrollt auch, während sie weiter redet. Oder macht Selfies von sich, um sie irgendwo zu posten. Es sah aus wie Instagram.

Beide reden nicht miteinander. Also er zumindest nicht. Und sie redet völlig emotionslos. Wie eine Computerstimme ohne Stimmlage. Gelegentlich schafft er es für einige Minuten, das Gerät auf den Tisch zu legen, sie anzuschauen. Dann widmet er sich wieder seinem Handy und der vermutlichen Timeline.

Ihr Kuchen und Kaffee kommt. Während sie weiter redet und er scrollt. Sie macht Fotos vom „Gericht“ und postet es sofort. Das ging über eine halbe Stunde so, dann musste ich leider los.

Vielleicht kamen beide gerade von einer Beerdigung. Aber ich würde eher tippen, dass sie einfach so sind.

Das beobachte ich immer häufiger, dass selbst Erwachsene Menschen nicht mehr ohne ihr Handy können. Nicht, wenn sie alleine im Wartezimmer sitzen. Sondern, wenn sie als Familie oder Paar zusammen sind. Regelmäßig, fast schon viertelstündlich Whatsapp Status oder andere sozialen Netzwerke zu prüfen.

Aber bei jungen Menschen ist das fast schon normal. Für die beiden schien das alles normal zu sein. Das finde ich sehr schade. Weil dabei geht ihnen die Gelegenheit verloren sich kennenzulernen. Oder sie finden sich so langweilig und ertragen es nur noch durch zusätzlichen ablenkenden Inhalt eines Algorithmus.

Normalerweise beobachte ich so was und dann vergesse ich es wieder. Weil es mich nicht nichts angeht oder betrifft. Aber während der Meditation kam mir die Frage auf, wie das wohl bei meinen Kindern sein wird. Wie sie mit den Medien in den nächsten Jahren umgehen werden?

Ich hoffe, dass wir unseren Kindern das anders vorleben können, damit sie auch vielleicht mehr Zwischenmenschlichkeit genießen können. Das fängt schon damit an, dass wir während ihrer Anwesenheit nicht darin unsere Langeweile versinken. Meine Frau ohnehin nicht, sie hatte dafür noch nie etwas übrig.

Aber ich bin froh, keine sozialen Netzwerke mehr auf meinem Handy zu haben. Ich lese lieber in der Zeit, wo sie sich selbst beschäftigen.

Heiko

Heiko

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